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Hausunterricht auf der Weltreise mit dem Fahrrad

Nayla ist 4 Jahre alt und von Geburt an Nomadin auf dem Rad. Dadurch entdeckt sie die Welt im Fahrrad-Tempo. 25.OOOkm an Begegnungen mit der örtlichen Bevölkerung und ihren Sitten. Alles ist ein willkommener Vorwand um die Länder die wir durchqueren zu erkunden und ihren Wissensdurst zu stillen. Natürlich ist ihre Erziehung sehr wichtig. Also setzen wir uns alle gemeinsam hin um Schreiben, Lesen und Mathematik zu lernen. So erhält Nayla ihren Unterricht beim Zelt auf den Routen dieser Welt.

  • Komm ! Probier’ meinen Taïko aus! ruft ihr Kanon zu. Sieh mal, so musst du die Trommel schlagen! fügt sie lächelnd hinzu.

Nayla hat an einem traditionellen japanischen Trommel-Konzert teilgenommen. Dort lernte sie Kanon, ein achtjähriges Mädchen kennen, mit der sie sich auf Anhieb gut verstand. Jetzt sind wir beim Training dabei. Die Gruppen von Kindern die zwischen 3 und 12 Jahre alt sind, üben für das nächste Konzert. Nayla ist von den Bewegungen der Kinder beeindruckt. Sie verwandeln sich mal in Tänzer, mal in Krieger während sich die die Rhythmen ändern und die Trommelschläge ineinander verschmelzen. Wir befinden uns nun im Herzen einer der Traditionen Japans. Die Trommeln bestimmen den Rhythmus des Lebens seiner Einwohner seit Jahrhunderten. In dem Moment in dem sie den Taiko schlägt wird Nayla jedoch klar, dass es nicht so einfach ist die Haut zum vibrieren zu bringen.

Auf den Wegen der Welt

  • Nutzt die Gelegenheit zu reisen bevor ihr Kinder habt! Danach ist es unmöglich! sagten unsere Freunde.

Nayla wurde 2013 in Malaysia, während der langen Reise die wir unternahmen, geboren. Wir, ein Paar aus der französischsprachigen Schweiz, haben uns von unserem Heimatland aus 2010 auf den Weg ins Abenteuer gemacht. Wir hätten uns nie träumen lassen, dass das Abenteuer das wir uns erträumten, uns dann ausmalten und schließlich erschufen, an viel mehr Bedeutung gewann als nur eine Reise, eine Erforschung. Es wurde zu unserem Leben. Einem Nomadenleben auf dem Fahrrad und als Familie. Schrittweise haben wir unsere Tochter in dieses Leben einbezogen. Jetzt radelt Nayla dank einem Tandem-System auf ihrem eigenen kleinen Rad. Wenn sie müde ist setzt sie sich friedlich in ihren kleinen Anhänger. Das ist ihre Unterkunft in der sie vor allen äußeren Einflüssen geschützt ist. Dort profitiert sie davon zu lesen, spielen, schreiben oder sich auszuruhen. Heute führen wir unser Nomadenleben nach mehr als 60.000km auf den Wegen dieser Welt weiter.

  • Wie werdet Ihr eure Tochter einschulen? fragt uns eine taiwanesische Familie.

Die Realität dieses Nomadenlebens ist die, dass alles ein willkommener Vorwand zum Lernen ist, für sie wie für uns. Es ist die Schule des Lebens auf weltweiter Ebene, eingefärbt von den Traditionen und Kulturen der Länder die wir durchqueren. Wie fangen sie den Lachs auf der Insel Hokkaido, wo wächst der Reis in Südkorea, welches sind die traditionellen Instrumente oder der Nationalsport der verschiedenen Länder und die unterschiedlichen Schreibweisen?

Die Begegnung mit der örtlichen Bevölkerung

  • Spring! Mach’ einen Purzelbaum! ruft der Hapkido Lehrer auf Koreanisch.

Nayla hat die Ehre, an einem Hapkido Kurs mitmachen zu dürfen. Das ist eine koreanische Kampfkunst die auf Selbstverteidigung beruht. Mehr noch als ein Kampfsport: es ist vor allem eine Lebenseinstellung auf der Suche nach Harmonie zwischen Körper und Seele.

  • Eine Pirouette! ruft die Tanzlehrerin auf Chinesisch.

Nun lernt Nayla die jungen Ballerinas aus Taiwan kennen.

In jedem Land sucht Nayla die Begegnung mit der Bevölkerung. Unsere Fahrräder sind daher oft nur ein Vorwand. Wir halten so oft wie möglich in der Nähe von Spielplätzen an. Auf der Insel Kokkaido spielte Nayla in jeder Pause mit Kindern jeden Alters und entwickelt dabei sowohl ihre Beziehungsfähigkeit als auch ihr Einfühlungsvermögen. Die Sprache ist nie ein Problem, vor allem unter Kindern. Sie nehmen sich bei der Hand und los geht’s!

Sie entdeckt die Sitten und Gebräuche der Länder. Auf der japanischen Insel Shikoku, und während wir einen Teil der Pilgerreise der 88 heiligen Tempel zurücklegen, lernt sie in den buddhistischen Tempeln zu beten. In den kleinen Gässchen in Kyoto sieht sie zum ersten Mal Geishas. Sie bewundert die fantastischen Tempelanlagen von Angkor in Kambodscha. Im Herzen der Berge von Yunnan lernt sie, die chinesische Teezeremonie abzuhalten. Sie beobachtet ein Kind das sich in Thailand an einem Büffel-Rennen beteiligt. Sie nimmt am Festival der Bunun teil, einem der einheimischen Stämme Taiwans. Das Rennen der Zugpferde in Hokkaido, das sich Ban’ei nennt, begeistert sie.

  • Ich will hier übernachten! ruft Nayla.

Nayla schließt überall auf der Welt Freundschaften. Diesmal weigert sie sich zu gehen. Sie möchte noch ein paar Tage bei einer taiwanesischen Familie bleiben die wir gut kennen. Wir sind befreundet und haben schon vorher 2 Wochen bei ihr gewohnt. In Ordnung! Und so taucht Nayla drei Tage lang in das taiwanesische Leben ein. Zuerst versucht sie die Nudeln mit den chinesischen Stäbchen zu essen, genau wie die Gastgeber: sehr unterhaltsam! In dieser Familie wird sie auch ein paar Wörter Chinesisch lernen. Genau auf diese Art hat sie auch Japanisch gelernt, einfach beim Zusammensein mit Menschen. Außerdem spricht sie fließend Französisch und Englisch.

Die Schule im Zelt

Die Schule im Zelt macht ihr viel Spaß. Diese sind wichtige Momente in denen sie ihren Wissensdurst stillen kann und in denen wir ihr helfen, Mathematik, Schreiben und Lesen zu lernen. Dann setzt sie sich in den begrenzten Raum unter der Zeltplane oder ins Freie und nimmt ihre Stifte zur Hand. Das ist uns sehr wichtig. Wir begleiten sie dann um sie zu unterrichten und ihr die erforderlichen Grundlagen für ihr Lernen zu vermitteln. Sie erkennt schon die meisten Buchstaben und kann seit langem ihren eigenen Namen schreiben. Auch verbringen wir viel Zeit damit, ihr Geschichten vorzulesen, hauptsächlich im Zelt, wenn das Wetter schlecht ist.

Die Zeit im Anhänger ist auch ihr bevorzugter Moment um ihre Bücher zu lesen. Dann erzählt Nayla die Geschichte mit lauter Stimme, damit wir sie auch hören können. Sie liebt es auch Dinge zu kreieren, also verbringen wir Zeit damit zu basteln, wie die Origamis in Japan. Wenn schönes Wetter ist holt sie ihre Pinsel hervor und malt mit Euphorie. Sie schaut sich auch gerne die Weltkarte an und verfolgt dort unsere Route. Neuerdings lernt sie die Lieder in allen Sprachen, einfach, indem sie sich auf dem kleinen Lautsprecher in ihrem Anhänger anhört. So singt sie lauthals wann immer sich die Gelegenheit bietet. Für sie gleicht der Montag dem Sonntag, aber sie weiß wo Norden, Süden, Osten und Westen sind. Sie ist erst 4 Jahre alt, aber die Schule wird Schritt für Schritt mehr und mehr Platz einnehmen und in unser Nomadenleben integriert sein.

Die Natur als Lehrer!

Nayla liebt das Leben im Freien, und sie hilft uns die Zelte aufzuschlagen oder läuft ihrem Ball hinterher. Vor allem langweilt sie sich nie. Die Natur ist ein wunderbarer Lehrer. Sie spielt an den Gewässern, sucht Blumen aus, sortiert das herbstfarbene Laub, badet in den Seen oder den natürlichen Thermalquellen. Sie wird mit dem Zyklus der Jahreszeiten und dem Leben der Tiere vertraut. Insekten sind eine Quelle ewigen Staunens, aber sie hat auch Rehe gesehen, japanische Kraniche, Schlangen, Warane, Skorpione, Affen, Füchse, Schildkröten und tropische Fische. Sie durchquert die Klimazonen in vollkommen unterschiedlichen Umgebungen: Wüsten, hohe Berge, Tropenwälder, Ozeanküste, die Winter im hohen Norden, den Inseln. Und jedesmal steht sie erneut vor neuen Lernerfahrungen: Wasserknappheit, oder auch das Leben im Gebirge.

  • Und ihre Leidenschaft ? fragt ein Kind in Südkorea.

Nayla liebt das Wasser. Seit sie zwei Jahre alt ist kann sie schwimmen ! Sie ist genauso anmutig wie ein Delphin. Koordiniert und gewandt klettert sie auf Bäume, fährt mit zweieinhalb Jahren Ski und radelt mit drei Jahren ganz alleine.

Wie lange werdet ihr dieses Leben weiterführen?

Diese Frage wird uns andauernd gestellt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Länder im hohen Norden zu durchqueren. Dieses nomadische und schlichte Lebensweise die wir jeden Tag neu erschaffen ist eine Lebensentscheidung. Für uns ist es am wichtigsten, dass jedes unserer Familienmitglieder sein Gleichgewicht findet. Und das Ergebnis ist, dass wir im Einklang mit uns selbst und glücklich sind. Nayla ist extravertiert, den anderen gegenüber offen, einfühlsam und spricht jetzt schon mehrere Sprachen. Sie ist koordiniert, sportlich und voller Freude am Leben. Sie gibt sich Mühe und nutzt jede Gelegenheit um dazuzulernen.

Céline, Xavier et Nayla

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