Okinawa Kyushu
In den Turbulenzen der Welt, den politischen Schemata die keinen Sinn mehr machen, der vergrabenen Wut der Bevölkerung, öffnet uns Okinawa die Arme. Der amerikanische Stützpunkt mit all dem was er verkörpert macht es bildlich sichtbar. Dennoch wohnt den Inseln der Unsterblichkeit eine Magie inne die sich uns auf unserem Weg langsam entfaltet. Wir tauchen in die hohen Energien des Ortes ein, in die jahrtausendalte Weisheit, die auf diesen Inseln vibriert.
Ein neues Gleichgewicht schaffen
Uns steht ein Übergangsritus bevor, eine Initiierung. Wir müssen gemeinsam einen Weg finden, ein neues Gleichgewicht innerhalb der Bewegung herstellen. Ein Leben, das uns in diesem Moment entspricht neu erfinden. Wir tauchen in unsere gegenseitigen Ungleichgewichte, unseren vergrabenen Schmerz, unsere Reaktionsmuster. Die Energie des Feuers vibriert in uns, Wut ist allgegenwärtig, sie drängt uns zur Explosion in einem Wirbel der Unsicherheit, Zorn, Ängste, und Schmerz in uns mit sich reißt. Wir wissen nicht mehr ob wir fähig sind weiterzumachen, so nah stehen wir an der Grenze der Belastbarkeit.
Gleichzeitig ist das Ungleichgewicht genauso hoch wie der Sprung den wir wagen müssen. Wir tauchen erneut ins Unbekannte. Körperlich stellen die Aufstiege auf den Inseln eine Herausforderung dar, oft mehr als 15%, und unsere Fahrräder sind so schwer. In den ersten drei Tagen machen wir eine zusätzliche Aussortierung, an den Rest wird sich der Körper gewöhnen, aber es ist hart, belastend und verringert unsere geistige Belastbarkeit. Das Material spielt uns einen Streich, und die Zeit die wir mit Reparaturen verbringen opfert wertvolle Momente des Zusammenseins im Spiel und der Bewunderung des gegenwärtigen Augenblicks. Fibie muss sich an den Anhänger gewöhnen, und sie beginnt ihre Ernährung zu diversifizieren. Manchmal stören sie ihre Zähne. So ist ihr Schlaf manchmal friedlich und manchmal von mehrmaligem nächtlichem Aufwachen getaktet, was uns schwierige Tagesanfänge beschert und eine Müdigkeit die sich anstaut.
Für Nayla is es nicht leicht ihr Gleichgewicht zu finden. Sie muss es neu erfinden, ihren Platz in der Bewegung zu viert finden. Die Krönung des Ganzen ist das Wetter das uns einen Streich spielt: zwischen heulendem Eiswind und Regenfällen. Noch nie hatten wir so viel Wasser unter dem Zelt, wir schwimmen buchstäblich. So muss Xavier Kanäle graben um das Wasser zu evakuieren und ich bleibe 10 Stunden mit Fibie und Nayla im Zelt eingeschlossen. In diesem winzigen Raum die Emotionen der beiden bewältigen. Inmitten der Gefühlswellen von jedem spüren wir, dass wir eine bewusste Entscheidung treffen müssen. Die, erneut auf der Reise zu sein und alles zu empfangen was auf ihr geschieht. Von der Magie die sich in den Wendepunkten entfaltet, bis hin zu den Schwierigkeiten die uns begleiten.
Von Insel zu Insel
Wir lenken Richtung Norden und fahren von einer Insel zur nächsten. Die Landschaften verzaubern uns. Die Natur kommt voll in ihrer ganzen Reinheit zum Ausdruck und treibt zur Bewunderung. Jede von Ihnen enthüllt ihr Antlitz, ihre Panoramen und Atmosphären. Das Meer ist hier in Farben gekleidet die der Traumwelt anzugehören scheinen. Die Blautöne sind magisch, der Sand weiß, die Klarheit des Wassers unglaublich. Die Inseln sind von besonderer Schönheit mit ihren Hügeln die ins Meer zu tauchen scheinen und der leuchtend roten Blütenpracht des Hibiskus, Symbol der Inseln von Okinawa. Der Geist der Schildkröte begleitet uns, Nayla hat sie mehrmals gerufen und sich so sehr erhofft, ihnen zu begegnen.
Die Begegnungen
Die Begegnungen sind prägend. Nayla wird in die Schulen in einige Klassen eingeladen und lernt Reis anzupflanzen. Bei der Familie der Zamami San, die uns mit offenen Armen empfängt, lernt sie auch zu fischen. Sie lassen uns übrigens nicht fahren ohne einen Ornamori, einen Schutz-Talismann herzustellen, der mit der Hand aus Muscheln gefertigt wird die wir am Strand aufgelesen haben. Diese Ornamori begleiten uns auf unseren Rädern und sind nun unsere Beschützer. Nayla malt mit Ichiro San auf Washi, dem japanischen Papier. Wir schätzen die schlichte Kunst dieses Künstlers, bei dem die Tiere in Bewegung zu sein scheinen und die luftige Nutzung des Raums, so wie tiefe Atemzüge. Mit Chica lassen sie uns die Geschmackserlebnisse der Insel entdecken: kleine Oktopusse, Rosinen-Algen, roher Fisch und den Tofu von Okinawa.
Dann folgt die überraschende Begegnung mit Masahiro. Wir erblicken ihn zum ersten Mal als er in der frühen Morgendämmerung mit seiner Harpune und seinem Sack aus dem Meer kommt. Jeden Morgen um 2 Uhr steigt er ins kalte Wasser und geht auf die Suche nach Meeresfrüchten: Hummer, gigantische Muscheln, Fisch und Krabben, die er jeden Tag frei tauchend einfängt. Er ist so ausdrucksvoll, dass wir ihn sofort verstehen. Um 9 Uhr lädt er uns ein, Sahimis und den rohen Fisch mit ihm zu genießen. Ein unglaubliches Festmahl, begleitet von Bier uns Saké.
Vulkanische Böden – MT ASO
Wir spüren, dass wir langsam unser Gleichgewicht finden, sind wieder erneut voll und ganz Nomaden. Wir nähren uns von jedem Licht, jeder Atmosphäre, jeder Begegnung in der prachtvollen Landschaft, die sich uns darbietet.
Die ersten Berge die sich abzeichnen, die auf die wir gewartet haben, die, die uns über die Insel Kyushu leiten. Sie gipfeln auf 1.500 m Höhe, unbedeckt von der üppigen Vegetation die für gewöhnlich die Spitzen überzieht. Wir betreten das Schongebiet des Aso Vulkans. Als wir in Minimiaso ankommen begrüßen uns Herr Kira, Bürgermeister der Region und Yamamoto San, Manager des Geschäfts ‚Mont Bell’ in Minami Aso. Wir kosten im Anschluss die Spezialitäten der Region: Basashi, rohes Pferdefleisch, sowie Shabu-Shabu, eine Art Eintopf mit Rindfleisch. Danach lernen wir wie man Buchweizen Soba Nudeln herstellt.
Wir sind an einem heiligen Ort der mit der Kraft der Vulkane vibriert. Es ist einer dieser Orte, wo Menschen und Vulkane koexistieren, so zeichnen sich die traditionellen Häuser vor den Gipfeln ab, während die Männer und Frauen tief mit diesem Land und seiner prächtigen Landschaften verbunden sind.
Der Aso-Vulkan lebt. Er ist eine der aktivsten in Japan. Es besitzt eine Caldera die zu den größten der Welt gehört. Diesem Massiv wohnt eine Mächtigkeit inne, die Dimensionen sind gigantisch und wir fühlen uns als Teil einer machtvollen Natur, die uns überwältigt. Verbunden mit der tausendjährigen Geschichte dieser Vulkane, mit der Geologie dieses Ortes, tauchen wir in seine Feuerenergie ein.
Würdevoll, mächtig, beeindruckend üppig und zuweilen sicher erschreckend. Wir stehen an ihrem Fuße und vibrieren sofort wir in Harmonie mit diesem Ort. Die Berge laden zur Erhöhung des Geistes ein, zu einem Hauch Freiheit, Demut und Authentizität.
Beim Abschied drückt Nayla das aus was wir alle fühlen: “ Warum müssen wir gehen? Ich bin traurig.“ Auch wir sind von dieser Region und ihren Bewohnern berührt, der Empfang hier war beeindruckend, die Landschaften atemberaubend und Freundschaften haben sich geknüpft.